Künstler
Obwohl die Mittel des Klosters begrenzt waren, hat der Bauherr Abt Stephan Mayr für den barocken Kirchenneubau die besten Künstler der Zeit gewinnen können: den Hofbaumeister Johann Michael Fischer aus München, den österreichischen Maler Johann Jakob Zeiller, den Münchner Hofbildhauer Johann Baptist Straub und die Stukkateure Johann Baptist Modler und Johann Georg Funk.
Ein Zisterzienser des Klosters hat den Baufortschritt in einem Tagebuch festgehalten. Dieses „Fürstenzeller Baumanuale“, das im Bayerischen Staatsarchiv in München aufbewahrt wird, ist ein wertvolles Dokument für das Bauwesen des Barocks.
Baustil
Der Barockstil hat sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Italien entwickelt. Er übernimmt die Grundelemente des Renaissancestiles, der an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit um 1450 mit der Wiederaufnahme von Bauformen der griechisch-römischen Antike die bis dahin verbreitete Gotik mit etwas ganz Neuem ablöste.
Waren die Bauten der Renaissance noch von den klaren antiken Formen des Bogens, des Dreiecksgiebels, des Tonnengewölbes und der Säulen und Pilaster bestimmt, so lockert das Barock diesen Formenvorrat auf und bringt mit Bildern und Stuck, Altären und Figuren Farben und Dekoration in die klassische Strenge der Renaissance. Vorangetrieben wurde diese Entwicklung von der katholischen Kirche, die nach dem Schock der Reformation ihre treu gebliebenen Gläubigen in ihren Kirchen und Gottesdiensten mit einem Sinnenrausch aus Farben, Formen, Tönen und Gerüchen an sich binden wollte. Die ersten Barockkirchen waren die der Jesuiten in Rom.
Auch der Adel nahm mit seinen Schlössern und Gärten den Barockstil in den Dienst zur Repräsentation seiner Macht. Italienische Baumeister brachten zuerst den Barockstil über die Alpen, wo er vor allem in den katholischen Ländern im Süden des Reiches eine große Blüte erlebte, bis er um 1770 vom nüchternen Zopfstil des Klassizismus abgelöst wurde. Die Fürstenzeller Klosterkirche gehört dem Spätbarock an, die Klosterneubauten um 1770 mit Bibliothek und Festsaal dem Rokoko, der letzten Ausformung des Barock, mit Anklängen an den aufkommenden Klassizismus.
Restaurierung
Die Fürstenzeller Pfarrkirche musste in den Jahren 1996 bis 2002 wegen Veränderungen in der Gewölbestatik aufwändig saniert werden. Dabei wurden auch die verschmutzte Raumschale und die Altäre und Figuren sorgfältig restauriert. Die Heizungstechnik, die zur Verschmutzung wesentlich beigetragen hatte, wurde erneuert. Eine entscheidende Veränderung des Raumeindruckes brachte die Wiederherstellung des ursprünglichen Standortes des Hochaltares mit sich. Er war 1856, als die Klosterkirche längst Pfarrkirche geworden war, nach Abbruch der dahinter liegenden Sommersakristei und des darüber liegenden Raumes für das Chorgebet der Mönche an die Rückseite des Chorraumes geschoben worden. Nunmehr sind nach Verschiebung des Altars und Einzug der alten Decke die ehemaligen Räume wieder entstanden. Die einstige Sommersakristei, deren barocke Einrichtung erhalten geblieben ist, dient nunmehr als Werktagskirche.
Hl. Apollonia
Finden Sie die Frauengestalt mit Zahn & Zange im Kirchenraum?Eine effektive Hilfe bei Zahnschmerzen gab es bis weit in den Barock nicht. Die gefürchteten Zahnschmerzen wurden auch nicht von Heilkundlern oder Ärzten behandelt, sondern in der Regel von Schmieden, Friseuren, Badern oder Zahnbrechern, die oft von Ort zu Ort zogen und den Leidenden die entsprechenden Zähne mit Brachialgewalt aus dem Kiefer herausrissen. Oft mit weiteren schlimmen Folgen für die Kieferknochen.
Ein strahlendes Lächeln mit weißen Zahnreihen werden Sie in Werken der Renaissance oder des Barock nur in extremen Ausnahmefällen finden. Das dezente Lächeln der Mona Lisa oder auch der Adeligen des Barock in Abbildungen war damit begründet, dass die Kieferreihen deutliche Lücken aufwiesen, denn die einzig sinnvolle Behandlung war meist das Entfernen des Zahns. Ludwig XIV. von Frankreich soll im Alter vollkommen zahnlos gewesen sein. Im Barock litten 70-80 % der Bevölkerung unter Zahnfäule.
Die Verwendung von Fächern in adeligen Kreisen diente neben der Frischluftzufuhr meist auch um den üblen Mundgeruch zu kaschieren und die Zahnlücken beim Sprechen zu verbergen.
Hoffnung bot also das Anrufen von Heiligen als einziger Ausweg.
Die hl. Apollonia lebte in Alexandria (Ägypten) und erlitt dort vermutlich um 250 n. Chr. ihr Martyrium, wobei ihr u.a. die Zähne ausgeschlagen wurden. Eine Verehrung der Apollonia beginnt im 9. Jahrhundert, Papst Johannes der XXI. (1276-1277) empfahl den Gläubigen bei Zahnschmerzen ein Gebet an die Heilige zu richten, die allerdings erst 1634 offiziell heiliggesprochen wurde. Die katholische Kirche verhalf in der Gegenreformation der Verehrung der hl. Apollonia zu einer erneuten Blüte, begründet durch die zunehmende Verschlechterung der Zahngesundheit besonders auch durch vermehrte Kohlehydrate in der Nahrung und noch nicht existierender Zahnhygiene. So gibt es in vielen Barockkirchen, so nun auch in Fürstenzell, eine Statue der Schutzpatronin der Zahnärzte und der unter Zahnschmerzen leidenden Menschen. Erst mit Beginn einer medizinischen Zahnheilkunde seit dem frühen 19. Jh. wird diese Verehrung zurückgehen.